Reisebericht Argentinien 2007

Erster Teil des Reiseberichtes von 2007:

nachfolgend möchten wir Euch ein paar Eindrücke von unserer zweiten Abenteuerreise nach Südamerika bzw. Argentinien schildern:

Die Anreise

Argentinien ist zwar nicht das von Deutschland am weitesten entfernste Land, aber zumindest der Ort, wo wir hinwollten erfordert viel Geduld bei der Anreise. Unsere Flugroute war: Frankfurt - Madrid, Madrid - Santiago de Chile, Santiago de Chile - Cordoba und dann mit dem Bus von Corboba nach La Cumbre. Insgesamt hat die Reise 30 Stunden gedauert, wobei die grvsste Hürde der 13,5-Stunden-Flug von Madrid nach Santiago de Chile war.

Nachdem wir (wie üblich) viel zu früh auf dem Flughafen waren, habe wir zunächst erfahren, dass unser Flug 1 Stunde Verspätung hat. Egal, wir hatten ja 2,5 Stunden Aufenthalt in Madrid. Wir hatten noch keine Erfahrungen mit der IBERIA, nun wissen wir, dass wir diese Fluggesellschaft zukünftig meiden werden, da es nicht mal etwas zu trinken gab auf dem Flug nach Madrid, es sei denn man legt astronomische EURO-Beträge dafür hin.

Der Madrider Flughafen hat uns überrascht. Supermodern und neu, mit einer interessanten Deckenkonstruktion. Dann durften wir den längstmöglichen Weg von Gate zu Gate zurücklegen, der auf diesem Flughafen denkbar ist. Es wurde zwar immer elektronisch die Zeit angegeben, die man noch zurückzulegen hat, aber letztendlich waren wir froh, dass wir von den 2,5 Stunden Aufenthalt dann nur noch 30 Minuten warten mussten.

Der 13,5-Stundenflug legten wir in der Economic-klasse zurück. Im Spanischen treffender Touristenklasse genannt. Es gab 2 mal was zu essen mit jeweils einem Getränk und dies ohne die Möglichkeit Getränke mitzunehmen. Obwohl der Flug die ganze Zeit in der Nacht verlief, konnte man so gut wie überhaupt nicht schlafen. Was allerdings die Strapaze des Flugs entschädigte, war der Blick auf die Anden. Spannend war hierbei auch die Landung, da das riesige Flugzeug letztendlich durch die Andentäler flog. Links und rechts waren die Berge höher, als das Flugzeug flog.

Der Flughafen in Santiago de Chile ist zwar ebenfalls modern, aber auf internationale Gäste ist man eigentlich nicht eingerichtet. In vielen Geschäften konnte das Personal noch nicht mal Englisch und Euros wurden auch nicht akzeptiert. Die chilenische Währung erinnerte mich von den Beträgen her eher an die ehemalige italienische Währung Lire. Dollar wurden akzeptiert, aber die Umrechnungskurse wurden nach gutdünken festgelegt. Besser war es da auch, kleinere Beträge mit Kreditkarte zu bezahlen, welche allerdings überall akzeptiert wurden.

Auf dem Flughafen gab es auch ein Starbucks, welches wir gleich aufgesucht hatten. Die eigentlich weltweit gleiche Organisation wurde allerdings von den Chilenen völlig umgestaltet und entsprach somit dem sonst üblichen Chaos in diesen Regionen der Welt.

Was aber genau war wie bei uns, ist das Rauchverbot. Auch hier müssen die Leute in verglaste Kästen mit eigenem Dunstabzug, wo man diese Exoten dann beim paffen beobachten konnte.

Von Santiago de Chile ging es dann weiter nach Cordoba. Zwar mussten wir jede Menge Papiere noch im Flugzeug ausfüllen, aber eine Kontrolle erfolgte nicht. Der einzige kritische Punkt war, dass mittels eines umgebauten Gepäckkontrollapparates geprüft wurde, ob wir Früchte oder sonstiges Essen dabei hatten. Dabei hatten wir vergessen, dass wir einen Apfel im Gepäck hatten. Da dieser allerdings ursprünglich auch aus Argentinien kam, konnte uns hieraus natürlich kein Strick gedreht werden. Ansonsten kann man nach Argentinien einf|hren was man will. Vor allem grössere Devisenbeträge sind natürlich herzlich willkommen.

Der Flug über die Anden war atemberaubend. Man flog zeitweise tiefer als die Gipfel und man sah soweit die Augen reichten nichts als schneebedeckte Berge.

Hinter den Anden in Argentinien sahen wir dann merkwürdige geometrische Gebilde. Natürlich konnten wir uns denken, dass dies bewässerte Felder waren. Trotzdem sah es aus, als wenn ausserirdische Mächte Zeichen geben wollen, oder sich ein verrückter Mathematiker ausgetobt hat.

Natürlich haben unsere Freunde und Verwandten bereits am Flughafen gewartet. Für sie ist es etwas ganz besonderes den 'internationalen' Flair des Flughafens zu spüren. Aus diesem Grund sind unsere Verwandten bereits Stunden früher am Flughafen gewesen, um die maximal jede Stunde fliegenden Flugzeuge zu betrachten. Der Flughafen (einer 2-Millionen-Einwohner-Stadt) könnte in einer Ecke des Frankfurter Flughafen übersehen werden.

>p> Der Weg nach La Cumbre, unserem Zielort dauerte dann nochmals 2,5 Stunden. Seit unsere Reise vor 3 Jahren hat sich augenscheinlich nicht viel verändert in Argentinien, im Detail aber dann doch, aber davon berichte ich später.

Obwohl der Zeitunterschied mit 5 Stunden nicht so gross ist, sind wir nach dem Essen sofort ins Bett und haben 12 Stunden am Stück geschlafen.

Der Lebensstil

Kaum angekommen beginnt schon die Party. Die Mutter unseres Gastgebers feierte ihren 73-zigsten Geburtstag. Dies wurde praktischerweise kombiniert mit den Geburtstagsfeierlichkeiten mehrerer Enkelkinder. Angesichts der hohen Zahl der Enkelkinder gibt es fast jedes Wochenende eine Geburtstagsfeier. Da die Mutter (und der Vater) eines Familienclans einen enorm hohen Stellenwert haben, kommen natürlich alle Verwandten zum gratulieren. Es sollte 'nur' ein kleines Gartenfest werden. Jemand installierte Musik und das hat dann noch eine Reihe von Nachbarn angelockt. Nachdem bekannt wurde, dass auch noch exotische Gäste aus Deutschland auf dem Fest waren, war ein spontanes Volkfest im Gange.

Vorsorglich wie die Argentinier sind, hatten Sie reichlich Fleisch auf den riesigen Asador (Grill) gelegt. Eine mittlere Kleinstadt wäre davon satt geworden. Einziges Problem war, die Getränke waren schnell aufgebraucht. 'No problema', wie der Argentinier in jeder noch so ausweglosen Situation postuliert, wurde der Hut herumgereicht, um weitere Getränke zu beschaffen. Da ein erhebliches Sümmchen zusammenkam, hatten wir auch gleich wieder genug (alkoholische) Getänke.

Wenn man glaubt, dies wäre ein Problem am Sonntagnachmittag in einer kleinen argentinischen Stadt gekühlte Getränke zu besorgen, weit gefehlt. Zwar gibt es genau wie bei uns Ladenschlussgesetze, aber daran halten tut sich sowieso niemand. Und wenn ein Laden mal zu einem gewünschten Zeitpunkt nicht auf hat, dann kennt sicherlich jemand den Besitzer und die Sache ist geritzt.

Nachdem wir die Beschaffungsprozedur für Getränke mehrfach wiederholt hatten, erreichte die Stimmung ihren Höhepunkt. Es war völlig egal, dass wir kein Wort von dem verstanden was man uns erzählt hat, aber wir haben nun eine Menge neuer Freunde. Vor allem Fussball ist das Hauptthema: Es gibt 2 Fraktionen in Argentinien: Fans von Bocca juniors und von River Plate (beides Mannschaften aus Buenos Aires). Jedenfalls haben es die etwas fanatischeren Fans von Bocca juniors geschafft, dass wir nun auch in den Bocca-Fanclub aufgenommen wurden.

Auf der Party gab es natürlich auch eine Vielzahl an Kinder. Ich habe schon lange nicht mehr so viele Kinder auf einem Haufen gesehen. Unsere Gastgeber haben demnächst 5 und dies scheint auch die durchschnittliche Zahl an Kindern zu sein, die die Familien in dieser ländlichen Region haben. Kinder sind selbstverstdndlich überall dabei, allerdings wird um die Kinder nicht das Aufheben gemacht, wie bei uns in Deutschland. Zum Beispiel hat unsere Gastgeberfamilie ein 10-Monate alten süsses kleines Mddchen. Jeder, der auf die Party gekommen ist, hat das Kind hoch genommen und geknuddelt. Das Kind wurde mitgenommen und dann wieder jemand anderem in den Arm gedrückt. Ich hatte die Mutter gefragt, ob sie denn wüsste, wo das Kind augenblicklich wdre, aber sie meinte nur labidar, es wäre schon in guten Händen.

Auch sonst wird wenig Aufhebens mit den Kindern gemacht. Der Schnuller ist beispielsweise in den Dreck gefallen. Irgendjemand nimmt den Schnuller wieder auf und spühlt diesen im Bierglas aus, um diesen dann wieder dem Baby zu geben. Mit 10 Monaten isst das Kind alles, was es in die Finger bekommt. Von wegen biologisch einwandfreier Babynahrung wie bei uns. Erstaunlicherweise (oder auch nicht) ist das Kind kerngesund.

Die Improvisation ist meines Erachtens in Argentinien auf dem höchsten Level in der Welt. Es gibt wirklich nichts was man nicht noch gebrauchen kann und das repariert wird. Es ist unglaublich, welche Autos noch zum fahren gebracht werden. Ist der Motor explodiert, wird einfach aus einem völlig anderem Auto der Motor genommen und eingebaut. Was nicht passend ist, wird passend gemacht. Der Kleinbus unseres Gastgebers ist 15 Jahre alt und hat mehr als 400.000 km auf dem Buckel. Dieser ist zwar häufig kaputt, aber der Mechaniker findet immer eine Lösung das Gefährt wieder zum laufen zu bringen. Die Schwester unseres Gastgeber hatte eine erstaunliche Geschäftsidee. Sie produziert aus den Bändern der alten Cassetten (die auch in Argentinien langsam aus der Mode kommen) Handtaschen. Wenn man das beigelegte Bild betrachte, dann ist dies vielleicht gar keine so schlechte Idee.

Ich hoffe, diese kleinen Geschichten haben so ein wenig von dem Lebensgefühl der Argentinier wider gegeben. Es wird nicht in die Zukunft geplant, man lebt jetzt und heute, was morgen ist, interessiert nur am Rande. Diese Einstellung ist Fluch und Segen zugleich. Man hat eine Lösung gefunden, wie man mit wenig glücklich und zufrieden sein kann, aber man wird natürlich mit dieser Lebenseinstellung kaum einen hohen Lebensstandard erreichen können. Trotzdem werden solche Länder in der Zukunft eine grössere Rolle spielen, weil es hier manche Probleme, die es in den fortschrittlichen Ländern gibt (Bevölkerungsrückgang, Egoismus, Dekadenz usw.) einfach nicht gibt.

Die Deutschen in Argentinien

Ein grosser Teil der Argentinier ist deutscher Abstammung (über 20%). Grössere Anteile haben nur die Italiener und natürlich die Spanier. Den deutschen Ursprung der Bevölkerung kann man am ehesten sehen, wenn man das Telefonbuch aufschlägt. Hier findet man eine Menge an urdeutschen Nachnamen (Maier, Schmitt, Müller usw.). Ein deutscher Name bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass sich diese Person auch ihrer deutschen Abstammung bewusst ist oder gar der deutschen Sprache mächtig ist.

In einigen Gebieten gibt es aber noch Kolonien ‘Colonidads’ wo die entsprechenden Kulturen gepflegt werden (so haben wir gehört). Aus diesem Grund haben wir eine kleine Stadt südlich von Cordoba besucht: Villa General Belgrano. Der Namen klingt zwar wenig deutsch, aber die Gründer wollten damit Schwierigkeiten bei der Gründung umgehen. Gegründet wurde die Stadt von deutschen Einwandern und erlebte einen Aufschwung durch die Besatzungsmitglieder des deutschen Kriegsschiffes Graf Spee, die sich dort während des zweiten Weltkrieges niedergelassen haben.

Das Panzerschiff Graf Spee ist damals (1939) vor einer grossen britischen Flotte aus dem Südatlantik in den neutralen Hafen von Montevideo (Uruguay) geflüchtet, nachdem es mehrere britische Kriegs- und Handelsschiffe versenkt und beschädigt hatte. Auf Druck der britischen Regierung wurde der Kapitän gezwungen auszulaufen. Da die Lage allerdings aussichtslos erschien, entschloss sich der Kapitän das Schiff selbst zu versenken und somit die Besatzung zu retten. Hitler war davon natürlich nicht begeistert, da er erwartet hatte, dass das Schiff bis zum letzten Mann kämpfen sollte. Daraufhin wurde der Besatzung die Todesstrafe angedroht. Der Kapitän beging Selbstmord, aber die Besatzung (ca. 1200 Mann) liess sich in Villa General Belgrano nieder.

Hier das Rathaus von Villa General Belgrano

Wie aus den beiliegenden Bildern zu entnehmen ist, sieht die kleine Stadt (ca. 6.000 Einwohner) tatsächlich wie ein Mix deutscher Baustile aus. Da die meisten Matrosen allerdings aus Bayern stammten, wird es auch als Alpendorf bezeichnet. Nachdem der Ort gegründet war, hat er zunächst deutsche, dann auch Einwanderer anderer europäischer Staaten (Italiener, Iren, Balten, Ungarn) angezogen. Massgeblich trägt auch die Umgebung bei, die sehr an das Voralpenland erinnert.

Die Kulturen werden zwar noch gepflegt, die Einwohner sind allerdings weitgehend assimiliert und es werden kaum noch die ursprünglichen Sprachen gesprochen. Angesichts der Tatsache, dass aber nirgendwo sonst in Argentinien Fremdsprachen verbreitet sind, war es doch erfrischend, dass man in der ‘Touristinformation’ wie selbstverständlich auf Deutsch angesprochen wurde. Auch in den Geschäften der Stadt konnte man sein Anliegen auf Deutsch äussern. Am Abend waren wir dann im ‘Münchener Hofbräuhaus’. Von den ca. 30 Kellnern konnte allerdings nur einer Deutsch. Als Touristenattraktion gab es Haxe mit Sauerkraut, Weisswürste und verschiedene andere deutsche Gerichte, die allerdings an den Geschmack der argentinischen Touristen angepasst wurden. Dies bedeutet, dass die Gerichte weniger gewürzt waren, wie in Deutschland. Das ausgeschenkte Bier hat allerdings nichts mit dem deutschen Reinheitsgebot zu tun. Es gab alle möglichen Varianten, die einem die Nackenhaare kräuseln lassen. Allerdings war das Bier, genau wie bekannte deutsche Marken (Warsteiner, Isenbeck usw.) selbst hergestellt und floss in reichlichen Mengen. Über die Preise brauche ich nicht viel erzählen, aber man konnte sich für umgerechnet weniger als 5 Euro leicht eine Alkoholvergiftung zuziehen.

Traditionell wird ein Oktoberfest (dies heisst auch wirklich so) veranstaltet, welches dem Münchener Oktoberfest nachempfunden sein soll. Zumindet spielt eine deutsche Kapelle Blasmusik und die Argentinier flippen völlig aus, wenn der ‘Anton aus Tirol’ gespielt wird. Von ‘Rosamunde’ gibt es auch eine spanische Version, die dann lauthals mitgegröhlt wird. Beide Lieder werden laufend wiederholt und zumindest die Stimmung ist die gleiche wie auf dem richtigen Münchener Oktoberfest. Natürlich gab es auch den traditionellen Fassanstich und danach Freibier bis das riesige Fass leer war.

Ein Umzugswagen der Deutschen Argentinier

Später gab es auch einen Umzug. Hier haben sich alle in der Region vertretenen Kulturen in ihren traditionellen Trachten vorgestellt. Der Anteil der deutschen Kulturen war aber immer noch bei über 50 %. Ein paar Nationalsozialisten gibt es aber auch noch in dem Ort (vermutlich Nachfahren der Besatzung der Graf Spee), die ihr Gedankengut ganz offen zur Schau stellen (dürfen). Die Argentinier finden das witzig und glauben, dass dies auch eine Art deutscher Kultur sei. Es gibt ein grosses Geschäft in Villa General Belgrano, wo man all die Dinge des dritten Reiches kaufen kann (z.B. Kriegsfahnen), die in Deutschland verboten sind.

Hier das besagte Geschäfte mit Artikeln aus dem dritten Reich

Insgesamt betrachtet ist dieser Ort aber wirklich nur als Touristenattraktion zu sehen. Es mangelt an Nachschub deutscher Emigranten. Das gezeigte Kulturgut ist immer weniger authentisch. Es ist schon merkwürdig, wenn ein dunkelhäutiger mit eindeutig indianischen Gesichtszügen und pechschwarzem Haar Sepplhosen und Tirolerhut trägt und jodelt. Das Oktoberfest wird es sicherlich noch lange geben, aber die deutsche Kultur und die deutsche Sprache werden bald ausgestorben sein, sobald die alte Generation nicht mehr da ist.

Trotzdem kann man erkennen, dass die Argentinier zumindest bezüglich der Deutschen sehr ausländerfreundlich eingestellt sind. Immer wieder wurden wir gefragt, ob wir nicht hier bleiben möchten. Manchmal können wir uns das vorstellen, das andere Mal aber auch wieder nicht.

Hasta luego

Ulrich Wlk y familia

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