Reisebericht Argentinien 2004

Erster Teil des Reiseberichtes von 2004:

nachfolgend möchten wir Euch ein paar Eindrücke von unserer Abenteuerreise nach Südamerika bzw. Argentinien schildern:

Die Anreise war lang, aber im großen und Ganzen recht unproblematisch. Insgesamt haben wir 27 Stunden benötigt um unser Reiseziel La Cumbre zu erreichen. Der Flug ging zunächst von Frankfurt nach Sao Paulo in Brasilien. Wir hatten hierbei die preisgünstigere Variante mit der brasilianischen Fluggesellschaft Varig gewählt. Damit hat man zwar nicht die besten und modernsten Flugzeuge, aber der Service war wirklich erstklassig.

Ab Sao Paulo wurde es dann etwas abenteuerlicher. Unser Direktflug nach Cordoba wurde kurzerhand wieder unterbrochen, um in Ascunion (Paraguay) zu landen, weil dort ein paar Passagiere aussteigen wollten. Das Flugzeug wurde aufgetankt, während wir im Flugzeug auf den Weiterflug warteten. In Deutschland undenkbar, da beim Betanken ja etwas passieren könnte.

In Cordoba (eine Stadt mit ca. 1,5 Mio. Einwohner) angekommen,

haben wir zunächst über den Flughafen gelacht. Ein Gate, ein Gepäckband und eine Ankunftshalle, die 3 mal in eine Turnhalle gepasst hätte.

Unsere Bedenken, dass wir evtl. unsere Abholer verpassen würden waren also völlig unbegründet, da wir die einzigen Passagiere waren, die überhaupt abgeholt wurden. Deutsche Touristen gibt es dort wohl wirklich sehr selten. Die Formalitäten waren sehr einfach. Alle anderen Passagiere und vor allem das Gepäck wurden sehr genau kontrolliert, während wir einfach durch die Kontrollen gehen durften. Der Chef der Zollbeamten hat uns persönlich zum Ausgang geführt. Auch unsere Befürchtungen, dass ggf. Gepäckstücke verloren gehen, oder Teile davon entwendet würden, waren völlig unbegründet.


Wie Ihr auf dem Bild seht, wurden wir mit unserem eigenen Bus abgeholt. Natürlich wurden wir überschwänglich begrüßt, was hier aber die normale Begrüßungsmethode zu sein scheint. Als wir aus dem Flughafen traten, war Sommer (über 30° C). Die Fahrt nach La Cumbre überraschte uns, da wir hierfür fast 2,5 Stunden benötigt haben. Es sah so nah aus auf der Karte. Das Busfahren war für deutsche Verhältnisse abenteuerlich. Überhall hupte es und Verkehrsregeln scheint es in Argentinien nicht zu geben. Irgendeine stille Übereinkunft muss es allerdings doch geben, da wir unfallfrei in La Cumbre angekommen sind.

Eine witzige Begebenheit ereignete sich aber auf der Fahrt. Am Straßenrand stand ein Polizist (von denen es reichlich in Argentinien gibt) und winkte mit seinem Arm. Ich befüchtete alles mögliche. Z.B. dass unser Fahrzeug aus dem Verkehr gezogen würde, weil es nicht verkehrssicher war, oder noch schlimmeres. Christian (unser Freund und entfernter Verwandter) fuhr aber einfach weiter. Als er unsere erstaunten Gesichter sah, erklärte er, dass der Polizist nur als Anhalter mitfahren wollte, weil er mit seinem Dienst fertig wäre und sich Polizisten in Argentinien sich kein eigenes Auto leisten können. Tatsächlich wiederholte sich dieser Vorfall dann noch mehrmals auf unserer Fahrt.

Wir waren gespannt, wie unser Hotel aussehen würde. Unterwegs sahen wir doch eine Menge Häuser, die wirklich sehr baufällig aussahen.

Auch sahen wir nur Autos, die mindestens 10 Jahre als waren. Einen TÜV scheint es nicht zu geben. Das Hotel war dann doch erstaunlich gut. Zwar haben die Zimmer nicht ganz europäischen Standard, das wird aber durch einen sehr guten und überaus freundlichen Service ausgeglichen.
Hotel Plaza in La Cumbre Argentinien

Hier der etwas rustikale Aufenthaltsraum für unser Stockwerk.

Als wir später unser Hotel dann im Voraus und mit Euros bezahlt hatten, konnten sich die Hotelbesitzer vor Freude kaum halten. Euros sind in Argentinien etwas ganz besonders. Man erklärte uns dass sie nun warten konnten mit dem Eintauschen und sie zum späteren Zeitpunkt wesentlich mehr bekommen würden.

Natürlich waren wir sehr müde von der Reise, da wir alle im Flugzeug kaum geschlafen hatten und uns zusätzlich der Zeitunterschied von 5 Stunden zu schaffen gemacht hatte. Problem war, dass wir nicht frühzeitig ins Bett gehen konnten, da die Restaurants erst um 20:30 öffnen. Davor kann man kaum etwas zu Essen bekommen. Nomalerweise wird erst um 23:00 Uhr gegessen. Da wir im Flugzeug aber gut verpflegt wurden, waren wir mit einem Snack mehr als zufrieden.

In dem Cafe waren wir natürlich die Attraktion schlechthin. Wie man uns erklärte, waren wir die ersten Deutschen überhaupt, die das Cafe besucht haben. Dauernd kamen Freunde von Christian herein, die uns Hallo sagen wollten und sehen wollten, wie Leute aus Deutschland aussahen. Wir kamen kaum zum Essen.

Da wir leider sehr wenig Spanisch sprechen, ist die Kommunikation natürlich ein Problem. In La Cumbre sprechen die wenigsten Leute eine Fremdsprache. Selbst Englisch ist nicht sehr verbreitet. Gott sei Dank haben wir Christian, der nicht müde wird alles zu übersetzen und alle Dinge für uns zu regeln. Im Hotel sprach ebenfalls niemand Englisch, aber am nächsten Tag hatte die Hotelleitung extra einen Mann beschäftigt, der sehr gut Englisch konnte. Seine einzige Aufgabe war es, unsere Wünsche entgegenzunehmen.

Nach den ersten paar Tagen konnten wir wirklich eine Menge von Eindrücken über das Leben in Argentinen im Allgemeinen und im Speziellen von unseren Freuden hier sammeln. Davon aber mehr im nächsten Mail.

Eine Erkenntnis aber schon mal vorab. Es ist eine ganz andere Welt mit anderen Regeln, wobei die Leute erstaunlicherweise einen fröhlicheren Eindruck hinterlassen, wie wir dies aus Deutschland her gewohnt waren.

Zweiter Teil:

nachfolgend der zweite Teil unseres Reiseberichtes aus Argentinien. Nachdem wir nun bereits einige Tage hier in La Cumbre sind, wollen wir Euch unsere Eindrücke über das Land und die Leute schildern.

Die Hauptstraße von La Cumbre (links ein Supermarkt, rechts eine typische Kneipe)

Den Urlaub, den wir hier verbringen ist so ganz anders, wie alles was wir bisher an Urlaub gemacht hatten. Nach nur 5 Tagen sind wir schon Bestandteil der Gesellschaft hier. Man kennt uns im Ort, man weiss wer wir sind und woher wir kommen. Dies ist natürlich nur deshalb der Fall, da wir hier in eine Familie integriert sind.

Scheinbar gibt 2 Argentinien. Einerseits das Argentinien um Buenos Aires, was hauptsächlich in den Reiseführern geschildert wird und andererseits das Argentinien auf dem Lande, wo wir uns befinden. Dieser Eindruck wurde uns auch von den Leuten hier bestätigt. In Buenos Aires lebt man in einer riesigen Metropole, wo sich alles um Kommerz, Tango und Fußball dreht. Auf dem Land ist Tango kein Thema, Kommerz läuft hier auf bescheidenem Niveau. Fußball ist auch hier wichtig.

Natürlich ist das Wohlstandsniveau gering. Eine Familie der Mittelklasse muss mit umgerechnet ca. 300 Euro im Monat auskommen. Hierzu müssen aber beide Elternteile arbeiten, was angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit eher selten ist. Auch ist es üblich, dass man mehr als eine Arbeitsstelle hat. Der Sozialhilfesatz beträgt 40 Euro und Kindergeld gibt es ca. 8 Euro im Monat. Dementsprechend billig ist auch das Leben hier. Alles, was nicht importiert werden muss, kostet ungefähr ein Viertel bis ein Drittel (z.B. Lebensmittel) des Preises in Deutschland. Manche Dienstleistungen sind noch billiger und man zahlt für Serviceleistungen aller Art meist nur ein Zehntel, als bei uns. Die meisten Artikel sind allerdings qualitativ schlechter, als bei uns. Dies gilt nicht für den Dienstleistungssektor. Hier bekommt man wirklich hervorragende Leistung und die Leute sind wirklich sehr bemüht einem jeden Wunsch von den Augen abzulesen.

Das Wetter in La Cumbre hat uns etwas überrascht. Während es in Cordoba recht heiß war, als wir aus dem Flugzeug gestiegen sind, ist es in La Cumbre erstaunlich kalt. Dies ist natürlich auf die Höhenlage von 1400 Metern zurückzuführen. Während es in den Nächten Gewitter mit reichlich Regen gegeben hatte, waren die Tage bislang immer sehr sonnig, mit einem tiefblauen Himmel, den man bei uns recht selten sieht. Der Oktober hier ist ungefähr mit dem Mai bei uns zu vergleichen. Am Nachmittag haben wir hier ca. 25 ° C, während die Nächte mit 10 ° C eher kalt sind. Man hat uns erklärt, dass es normalerweise zu dieser Jahreszeit sehr trocken wäre und dass es eher ein (glücklicher) Umstand ist, dass es soviel geregnet hätte.

Der Tourismus um diese Jahreszeit ist nur an den Wochenenden existent. Es sind zu 95% Touristen aus Argentinien (Buenos Aires und Cordoba) und nur 5% der Touristen kommen aus den Nachbarländern und Europa (Spanien, Italien). Dementsprechend ist auch das Angebot. Auf Touristen aus Deutschland ist man nicht eingerichtet. Trotzdem konnten wir eine deutschsprachige Zeitung (Argentinisches Tagblatt) kaufen, welches für den deutschsprachigen Teil von Argentinien gedruckt wird. Allerdings gibt es dort wenig Informationen über Deutschland, aber dafür viel über Argentinien zu lesen. Viele Attraktionen gibt es hier nicht zu bewundern, aber das hatten wir auch nicht erwartet. Die Hauptattraktion ist eine große Statue (siehe Bild), die der Statue von Rio de Janeiro nachempfunden wurde.

Ganz stolz ist man auch auf eine grosse Lebensmittelfabrik, welches so ziemlich die einzige Industrie ist, die es hier in der Gegend gibt. Hier wird man durch die Fabrikhallen geführt und darf überall probieren.

Eine Maschine mit der die süßen Kekse aus Argentinien hergestellt werden.


Das unscheinbare Hauptgebäude der Fabrik

Natürlich kann man anschließend auch alles zu einem Spottpreis kaufen, aber wir wissen nicht, wann wir das alles essen sollen.

Hier bekommt man u.a. alle Varianten von Marmeladen. Auch Sorten die man hierzulande nicht kennt, wie z.B. Kaktusfeige.

Ansonsten kann man hier Natur-pur erleben. Berge, Seen und Flüsse, es gibt von allem etwas. Einen großen Salzsee gibt es hier (ähnlich dem toten Meer nur viel großer = Laguna Chiquita), wo man sich auf das Wasser legen und Zeitung lesen kann. Es ist unmöglich dort unter zu gehen.

Zuletzt noch ein paar Eindrücke zum Essen. Für deutsche Verhältnisse ist das Essen in den zahlreich vorhandenen Restaurants extrem billig. 10 Personen kann man hier sehr gut mit allem drum und dran für 30-40 Euro verpflegen. Beschränkt man sich auf einfaches Essen (wie z.B. Pizza), dann reichen auch 10-15 Euro. Das Essen ist qualitativ gut, aber meist nicht so scharf gewürzt wie in Deutschland. Bestellt man einen Wein, dann bekommt man grundsätzlich eine ganze Flasche. Für eine Flasche wirklich guten Wein zahlt man 2-6 Euro im Restaurant und entsprechend weniger im Supermarkt. Einheimische Biersorten werden in Flaschen zwischen 0,7 und 1,0 Litern serviert. Das Bier entspricht zwar nicht ganz dem deutschen Reinheitsgebot, schmeckt aber erstaunlich gut. Das Bier wird sehr kalt getrunken. Dosenbier ist noch gefroren, wenn es serviert wird. Erheiterung erzielte ich, als ich vom Dosenpfand in Deutschland erzählt hatte. Sofort wurde die Idee geboren, hier all die leeren Dosen zu sammeln und damit einen Urlaub in Deutschland zu finanzieren. Natürlich wird überwiegend Fleisch gegessen, welches aber meist nur mit Salz gewürzt wird. Fleisch ist Grundnahrungsmittel und entsprechend billig.

Ich habe noch ein Bild von unserem Hotel beigelegt, welches größer ist, als das Bild vermittelt. Als wir dort nach Orangensaft zum Frühstück gefragt hatten, hat frische Orangen besorgt und diese gepresst. Nie habe ich einen besseren Orangensaft getrunken, was wahrscheinlich am Reifegrad der Orangen liegt, die für den Saft verwendet werden. Das Frühstück im Hotel ist eher spärlich. Für die Touristen aus Argentinien ist das Frühstück meist in 5 Minuten beendet, während wir ausführlich speisen. Das einheimische Frühstück ist sehr süß. Es gibt unendlich viele Variationen von kuchenartigen Stückchen (dulce de leche). Wurst und Käse gibt es nicht, was wir uns aber selbst besorgt hatten. Die Einheimischen haben sich geschüttelt, als wir morgens Salami gegessen hatten.

Mit dem nächsten Mail möchte ich Euch mehr über das Leben in Argentinien und in unserer Gastfamilie berichten. Ein Leben, das sich sehr von unserem Leben in Deutschland unterscheidet.

Dritter Teil:

Im dritten Teil unseres Reiseberichtes möchte ich Euch vom Leben der Bevölkerung in La Cumbre und im Speziellen von unserer Gastfamilie berichten.

Nahezu die gesamte Bevölkerung wohnt in freistehenden Häusern unterschiedlicher Qualität und Größe. Zumindest in La Cumbre gibt es keine Mehrfamilienhäuser, obwohl natürlich oftmals mehrer Generationen einer Familie in einem Haus wohnen.

Hier ein typisches Haus in der 2 Generationen (3 Erwachsene 3 Kinder) wohnen. Das Grundstück ist aber ziemlich groß (mind. 2000 qm).


Hier der Eingang zu einem etwas ärmlicheren Haus, welches auch nicht zwingend ein dichtes Dach haben muss


Und hier die Vorderfront eines aktuellen Neubaus der gehobenen Mittelklasse.

Natürlich gibt es auch ganz andere Häuser, die selbst unsere Bauten in Deutschland in den Schatten stellen. Diese sind aber äußerst selten.

Die Anzahl der Kinder, die zu einer Familie gehören ist für unsere Verhältnisse sehr hoch. Selten sind es nur 3, normal sind 5 und 7 und mehr Kinder sind keine Seltenheit. Unsere Gastfamilie hat nur 3 Kinder (4, 7 und 10 Jahre alt).

Das Leben im Haus spielt sich meist in einem Raum ab, nämlich in der Küche. Dies ist auch der größte Raum im Haus. Hier wird nicht nur gekocht und gegessen, sondern hier steht auch der Fernseher, die Kinder machen ihre Hausaufgaben und hier werden auch die Gäste empfangen.


Hier die Küche unseres Gastgebers, wo gekocht wird, die Katzen wohnen, die Kinder fernsehen und Hausaufgaben machen und der im Winter warm ist.


Und hier eine Küche der gehobeneren Art, wo aber auch Küche und Esszimmer ein Raum sind.

Die anderen Räume sind sehr spartanisch eingerichtet. Oft teilen sich die Kinder die Betten. Eine Zentralheizung gibt es nirgends, obwohl es im Winter manchmal empfindlich kalt wird. Luxus ist, wenn jeder Raum über eine separaten Gasofen verfügt. Meist wird aber nur die Küche geheizt. Bei unserer Gastfamilie gibt es noch einen zentralen Ofen außerhalb der Küche, der mit Holz und Kohle befeuert wird. In der Küche wird mit Gas gekocht, welches aus Flüssiggastanks kommt, die außerhalb des Hauses stehen. Einige wenige Häuser werden aber schon über Gasleitungen versorgt. Energie ist mit unseren Preise verglichen sehr billig. Setzt man dies allerdings ins Verhältnis zu den Einkommen hier, macht dieser Kostenblock einen größeren Anteil am Gesamteinkommen aus, als bei uns. Ein Liter Normalbenzin kostet etwas 0,50 Euro, Diesel bekommt man für 0,40 Euro. Argentinien muss kein Öl einführen, da bislang ungefähr die Menge im eigenen Land gefördert wird, die hier auch verbraucht wird. In der Nähe der Falklandinseln werden große Ölvorkommen vermutet. Aus diesem (und anderen) Grund gab es auch in den 80-er Jahren den Krieg geben England. Ansonsten wären diese kargen Inseln auch nicht von Interesse für Argentinien, da Argentinien über genug Land verfügt.

Die Häuser in La Cumbre sind an keine Kanalisation angeschlossen. Die Abwässer aus den Häusern landen in Sickergruben, die für jedes Haus separat vorhanden sind. Diese sind allerdings so pfiffig angelegt, dass man nirgends Geruchsbelästigungen hat. Das Regenwasser wird über Kanäle und einfach die Strassen abgeleitet und landet schließlich in einem der zahlreichen Fluss- und Bachläufen. Diese führen aber nur direkt nach Regen Wasser. Die Flüsse haben je nach Jahreszeit einen sehr unterschiedlichen Wasserstand. Da wir uns aktuell in der Trockenzeit befinden, sind die meisten Flüsse ausgetrocknet. An der Breite der Täler kann man allerdings erkennen, dass hier sehr viel Wasser zu anderen Jahreszeiten fließt.

Das Leben der Argentinier (auf dem Lande) ist sehr von der Familie geprägt (la familia grande). Die Familienclans sind meist sehr umfangreich. Der gesamte Familienclan der Wlk's in Argentinien umfaßt mehr als 100 Personen, die alle untereinander Kontakt halten. Man hilft sich untereinander. Gerät ein Familienzweig in Not, wird er ganz selbstverständlich vom Rest des Familienclans versorgt.


Hier der Familienclan der Wlk's, der in La Cumbre wohnt und nur durch uns ergänzt wurde.

Je größer der Familienclan, desto besser ist man abgesichert. Aus diesem Grund sind die Familien auch auf wenige Ortschaften im Umkreis konzentriert.

Die Familienmitglieder der einzelnen Familienclans besuchen sich recht zwanglos untereinander in geringen Zeitabständen. Die Türen in den Häusern stehen meist offen. Wenn wir unsere Gastfamilie besuchten, haben wir es mehrmals täglich erlebt, dass plötzlich Verwandte in der Küche standen, einen kurzen Palaver hielten, zusammen Mate tranken und selbstverständlich mitverpflegt wurden, wenn gerade Essenszeit war. Man wartet nicht ab bis man eingeladen wird, sondern man geht einfach zu Verwandten und Freunden hin und wird immer freundlich empfangen. Undenkbar in Deutschland. Kleine Festivitäten (fiestas) ergeben sich spontan und wir haben es mehrfach erlebt, dass sich diese kurzerhand zu einem kleinen Volksfest entwickeln.

Man steht morgens ähnlich früh auf, wie in Deutschland (eher noch früher als in Deutschland). Allerdings wird nur bis 13:00 Uhr gearbeitet. Danach ist Siesta bis mindestens 17:00 Uhr. Zu dieser Zeit sieht man fast niemand auf der Strasse. Die Leute gehen zu Bett und schlafen, nachdem sie ihr Mittagessen zu sich genommen haben. Das Leben beginnt erst wieder langsam nach 17:00 Uhr. In der 'Siesta-Zeit' haben auch keine Geschäfte geöffnet. Danach wird nochmals gearbeitet. Meist bis 21:00 Uhr. Anschließend gibt es ein üppiges Abendessen, welches sich meist bis 23:00 Uhr hinzieht. Beim Essen wird der Tag reflektiert und alle wichtigen Dinge besprochen. Auch während der Woche gehen die Kinder nicht vor 24:00 Uhr ins Bett. Die Erwachsenen bleiben meist bis 1 oder 2 Uhr auf und schauen Fernsehen. An den Wochenenden ist meist bis 4 oder 5 Uhr morgens Leben auf den Straßen.

Eine wirklich wichtige Sache im ländlichen Leben in Argentinien ist Asado. Wir dachten zunächst, dass dies mit unserem Grillen zu vergleichen wäre, aber dem ist nicht so. Asado wird hier regelrecht zelebriert und zwar mehrmals wöchentlich. Für ein Asado wird ein großes Feuer gemacht.


Hier der eigentliche Grill, in dem mit der Glut aus einem separaten Feuer das Grillgut gegart wird.

Meist wird hierfür nur Holz verwendet, seit Neuestem manchmal auch etwas Holzkohle. Man hat eine gemauerte Platte (Asador) auf der dann die Glut aus dem Feuer gleichmäßig verteilt wird. Danach wird ein ziemlich großer Rost (Parrilla) darüber aufgebaut. Hierbei gibt es unterschiedliche Größen. Je größer desto größer und angesehener ist die Familie. Wie gesagt, man ist immer darauf vorbereitet, dass jemand zum Asado dazukommt. Die Glut unter dem Parrilla wird standig aus dem Feuer mit einer kleinen Metallschaufel nachgelegt. Dadurch entsteht im Asador eine gleichmäßige Hitze, die über einen langen Zeitraum aufrechterhalten wird. Gegrillt werden auf dem Parrilla nur sehr große Stücke Fleisch, die meist nur mit Salz gewürzt werden. Der Grillvorgang dauert sehr lange. Das Fleisch wird je eine Stunde pro Seite gegrillt. Verfeinert wird der Geschmack, indem man Zitronenscheiben auf das Fleisch legt. Möglich ist diese lange Grillzeit, da im Asador eine gleichmäßige, aber nicht sehr hohe Hitze herrscht. Das Fleisch wird somit durchgegart, ohne dass der äußere Bereich verbrennt oder schwarz wird. Die Kunst desjenigen der Asado macht (auch Asador genannt) ist, die gleichmäßige Hitze im Asador aufrecht zu erhalten und das Fleisch im richtigen Moment zu wenden und schließlich von der Parrilla zu nehmen. Unser Gastgeber war hier ein wirklicher Experte.


Hier unser Gastgeber bei seiner Kunst

Traditionell (von den Gauchos) wird auch gegrillt, indem man das Fleisch neben dem Feuer auf ein Gestänge steckt. Es ist allerdings ungleich schwieriger hierdurch ähnlich gute Ergebnisse zu erzielen.

Gegrillt wird nicht nur Rindfleisch, sondern auch Hähnchen und Lamm. Ganz selten auch Schweinefleisch. Zusätzlich werden auch noch spezielle Grillwürste auf den Parrilla gelegt. Diese sind allerdings nicht mit unseren Grillwürsten zu vergleichen. Es gibt hier eine schwarze Wurst im Aussehen ähnlich unserer Blutwurst (Morcilla). Unsere Kinder hatten zunächst die Nasen gerümpft, aber als sie diese dann probiert hatten, haben sie richtig reingehauen. Weiterhin gibt es eine Art Leberwurst, genannt Chorizo, die meines Erachtens noch besser schmeckt.


Uns zu Ehren wurden extra auch Hamburger gemacht, die aber besser wie bei McDonalds geschmeckt hatten. Dies ist allerdings kein traditionellen Gericht in Argentinien, aber man glaubte, dass wir nicht ohne Hamburger leben können.

Pro Person werden ca. 700 Gramm Fleisch und Wurst kalkuliert, wobei Kinder als volle Person gerechnet werden. Ich konnte mehrmals beobachten, wie unser Gastgeber fast ein Kilogramm Fleisch gegessen hatte. Allerdings wird zum Fleisch kaum eine Zutat gereicht. Etwas Brot und wenn es hoch kommt, noch einen einfachen Salat. Der Salat (Tomate oder Eisberg) wird kaum angemacht. Höchstens etwas Zitronensaft wird auf die Salate geträufelt.


Die Portion in der Mitte des Tisches war für 4 Personen bestimmt und wird mit einem kleinen Tischgrill heiß gehalten. Die hier im Restaurant in Uspallata angebotene Menge Fleisch hat weniger wie 10 Euro gekostet. Mit dieser Menge könnte sicherlich eine Großfamilie in Deutschland gut satt werden.

Für uns waren die Fleischportionen natürlich viel zu groß. Man hat uns etwas schief angeschaut, als wir nur die für Deutschland üblichen Fleischmengen zu uns genommen hatten. Das Grillfleisch hat einen wirklich sehr guten Geschmack, den man so schnell nicht vergessen wird. Man holt mit dieser Zubereitungsmethode wirklich eine Menge auch aus minderwertigerem Fleisch heraus, da das Fett durch die lange Garzeit vollständig aus dem Fleisch verschwindet. Als wir einmal wie in Deutschland üblich einige Salate (Kartoffel-, Nudelsalat usw.) zum Asado zubereitet hatten, wurden diese Salate nur aus reiner Höflichkeit probiert. Lediglich die Kinder unseres Gastgebers, die für neue Dinge sehr aufgeschlossen waren, haben sich über die Salate hergemacht.

Ich hoffe ich konnte Euch einen Eindruck über das Leben in Argentinien vermitteln. Im nächsten Teil möchte ich Euch über unseren Ausflug quer durch Argentinien und dessen Landschaft und Natur berichten. Viele Dinge waren für uns sehr fremd und unglaublich.

Hasta luego

Ulrich Wlk y familia

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